In dieser Arbeit geht es um die Möglichkeiten einer Preisdifferenzierung im Einzelhandel, speziell im Lebensmitteleinzelhandel, weshalb es erst einmal bedeutend ist, den Unterschied zwischen Groß- und Einzelhandel zu verstehen. Zunächst wird in der Betriebswirtschaft zwischen zwei verschieden Vertriebsformen unterschieden, nämlich dem direkten und indirekten Vertriebsweg. Kennzeichnend für den direkten Vertriebsweg ist, dass der Hersteller seine Güter auf direktem Wege an seine Endkunden veräußert und der Verkauf nicht über einen externen Händler abgewickelt wird (Brecht 2012, S.75). Im Unterschied dazu erfolgt beim indirekten Vertriebsweg der Verkauf an die Endverbraucher durch ein oder mehrere Handelsunternehmen, welche Produkte auch von mehreren Herstellern gleichzeitig vertreiben können (ebd.). Diese Händler, welche auch als Absatzmittler bezeichnet werden, können als Groß- oder Einzelhändler fungieren (ebd.). Einzelhändler bieten die Produkte hauptsächlich den Privathaushalten in z.B. Supermärkten, Filialbetrieben oder Fachgeschäften an (Tiedtke 2007, S.537). Großhändler hingegen beliefern in größeren Mengen wiederum Wiederverkäufer, also Einzelhändler oder aber Großverbraucher wie beispielsweise Krankenhäuser, gastronomische Betriebe oder Hotels (ebd.). Eine wichtige Funktion des Großhändlers als Bindeglied ist zum Beispiel der Ausgleich fehlender Lagerungskapazitäten der Hersteller oder der Einzelhändler (ebd.).

Da die Preisdifferenzierung zum Ziel hat die maximalen Preisbereitschaften der Kunden bestmöglich auszunutzen und somit die Konsumentenrente abzuschöpfen und nur der Einzelhandel in direkter Verbindung zum Endverbraucher, also den Kunden, steht, wird in dieser Arbeit ausschließlich der Einzelhandel betrachtet. Nur der Einzelhändler setzt die für die Kunden relevanten Preise fest und kann mithilfe der Preisdifferenzierung die Preisbedürfnisse der Nachfrager ansprechen.

Einzelhandelsunternehmen lassen sich in verschiedene Betriebsformen weiter unterscheiden zum Beispiel durch Klassifikation nach Sortiment, Preisniveau oder Bedienungssystem (Poth 2008, S.39). Die Typisierung ausschließlich nach Branche vorzunehmen erweist sich heutzutage allerdings als schwierig, da zahlreiche Einzelhandelsunternehmen ihr Sortiment immer weiter ausdehnen (Barth 2015, S.88). So bietet zum Beispiel Aldi neben seiner Hauptwarengruppe „Lebensmittel“ auch Non-food Artikel wie Personal Computer an, oder Möbeleinzelhändler wie Ikea offerieren zusätzlich Pflanzen, Geschirr und Lebensmittel (ebd.). Barth schlägt aus diesem Grund vor, die Einzelhandelsunternehmungen zunächst in eine der vier Prinzipien, nämlich Residenzprinzip, Domizilprinzip, Treffprinzip oder Distanzprinzip, einzuordnen, sprich, den Ort des Handels zu identifizieren (Barth 2015, S.89). Das Residenzprinzip stellt den stationären Einzelhandel dar, bei dem der Nachfrager den Anbieter selbstständig aufsucht (ebd.). Beim Domizilprinzip, auch ambulanter Einzelhandel genannt, begibt sich der Anbieter zu dem Kunden und Verkauft seine Produkte, wie z.B. Teppiche, Haushaltsware oder Kosmetika in seiner häuslichen Umgebung (Barth 2015, S.96-97). Das Treffprinzip ist dadurch gekennzeichnet, dass sich Kunde und Anbieter an einem unabhängigen dritten Ort treffen, um den Handel abzuwickeln (ebd., S.97). Typische Orte hierfür sind Messen, Wochenmärkte oder Verkaufsstände (ebd.). Zuletzt sei noch das Distanzprinzip aufgeführt, bei dem Anbieter und Nachfrager ortsunabhängig und ohne direkten persönlichen Kontakt ein Geschäft vollziehen (ebd., S.98). Damit ist allerdings nicht der klassische Versandhandel gemeint, bei dem zwar ebenso Kunde und Anbieter physisch getrennt voneinander sind, die Warenauswahl allerdings meist über einen Katalog erfolgt (Poth 2008, S.463). Vielmehr ist hier von E-Commerce die Rede, also dem elektronischen Handel über das Internet (Poth 2008, S.97).

Statistiken zum Nettoumsatz im deutschen Einzelhandel zeigen, dass die Branche „Lebensmitteleinzelhandel“ stets den stärksten Umsatz unter den Einzelhandelsbranchen erwirtschaftet (Statistisches Bundesamt n.d.). Im Jahr 2016 beispielsweise betrug der Umsatz rund 182 Milliarden Euro im Lebensmitteleinzelhandel, gefolgt von Apotheken mit nur 49 Milliarden Euro Umsatz (siehe Abbildung 1) (ebd.).

Abbildung 1: Nettoumsatz der deutschen Einzelhandelsbranchen im Jahr 2016
(Statistisches Bundesamt n.d.)

Innerhalb des stationären Einzelhandels lassen sich weitere Betriebsformen typisieren, zum Beispiel nach Flächengröße, Sortiment und Preisniveau. Im Folgenden sollen die wichtigsten Formen aufgezeigt werden, welche auch Lebensmittel im Sortiment führen. Ein Warenhaus ist hauptsächlich durch eine große, mehrstöckige Verkaufsstätte mit mindestens 3000 qm Fläche gekennzeichnet und weist ein branchenübergreifendes, tiefes Sortiment sowie Services auf (z.B. Bekleidung, Lebensmittel, Gastronomie etc.) (Ellrich 2014, S.1). Anzutreffen sind Warenhäuser meist in der Innenstadt oder in Einkaufszentren und die Verkaufsarten reichen je nach Abteilung von Bedienung bis hin zur Selbstbedienung (ebd.). Ähnlich wie die Warenhäuser sind Selbstbedienungswarenhäuser mit ebenso mindestens 3000qm Verkaufsfläche großflächige, ebenerdige Einzelhandelsbetriebe mit einem breitgefächertem Sortimentsangebot mit Schwerpunkt Lebensmittel (ebd.). Der Unterschied liegt hier zum einen in dem Verkaufsprinzip der Selbstbedienung, welches auch die niedrigere Preislage der SB-Warenhäuser rechtfertigt und im Standort, der meist im Umkreis der Stadt gewählt wird (ebd.). Ein Verbrauchermarkt hingegen ist mit einer Verkaufsfläche zwischen 800 qm und 1500 qm deutlich kleiner, umfasst aber ebenso Nahrungsmittel und einen begrenzten Anteil an Non-Food-Artikeln des kurz-und mittelfristigen Bedarfs (Poth 2008, S.452). Auch hier steht die Selbstbedienung im Mittelpunkt und ermöglicht die Verfolgung einer Niedrigpreisstrategie (ebd.). Ein Supermarkt, mit einer Fläche von ungefähr 400 qm- 1000 qm, bietet ein Vollsortiment an Lebens-und Genussmittel in mittelmäßigem Preis-und Qualitätsniveau an (Poth 2008, S.420). Auch hier überwiegt die Selbstbedienung (ebd.). Laut dem „Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution“ bieten Discounter dagegen „(…) ein enges, auf raschen Umschlag ausgerichtetes Sortiment zu niedrigen Preisen an.“ (Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution 2006, S.44). Die Kosteneinsparungen der Discounter gegenüber anderen Betriebsformen in Form von geringen Serviceleistungen, stark eingeschränktem Sortiment von nur ca. 600-1000 Artikeln, einfacher Warenpräsentation und hohem Anteil an Handelsmarken, resultieren in niedrigeren Preisen für die Kunden (Poth 2008, S.80; Twardawa 2006, S.379). Dass Discountgeschäfte das niedrigste Preisniveau unter den verschiedenen Betriebsformen des Lebensmittelhandels aufweisen, belegt auch eine empirische Studie, welche die Preissetzungen verschiedener Geschäftstypen im LEH verglich (Schmedes 2005, S.160). Dabei wurde allerdings auch beobachtet, dass bestimmte Produkte unabhängig von der Betriebsform preislich keinen erheblichen unterschied aufweisen (ebd.). Schmedes spricht hierbei von bestimmten Eckartikeln, auf deren Preise die Kunden vermutlich ein besonderes Augenmerk legen (ebd., S.162). Laut Statista weisen Discounter im LEH in Deutschland einen Marktanteil von 42,7 % auf, worunter Lidl im Jahr 2015 den höchsten Nettoumsatz erzielte (Statistisches Bundesamt n.d.; EHI Retail Institute 2015). Lidl, Aldi und Norma beispielsweise lassen sich dabei den sogenannten Hard-Discountern zuordnen, da diese Unternehmen allein Discountfilialen führen und überwiegend Handelsmarken veräußern (Twardawa 2006, S.379-380). Im Unterschied dazu bezeichnet man Discountgeschäfte von Unternehmen, welche hauptsächlich auch Nicht-Discount Filialen betreiben, als Markendiscounter (ebd.). Bekannte deutsche Handelsunternehmen mit zugehörigen Markendiscountern sind beispielsweise Rewe (Penny), Spar (Netto) und Tengelmann (Plus) (ebd.). In der Regel weisen Markendiscounter im Vergleich zu Hard-Discountern einen höheren Herstellermarkenanteil in ihrem Angebot auf (ebd., S.380). 2011 machten führende Discounter den größten Umsatz mit Handelsmarken, wohingegen Super- bzw. Verbrauchermärkte nur bei 17 % bzw. 21 % Handelsmarkenanteil am Gesamtumsatz lagen (Aygün 2012, S.282).